Vermögensverwaltung wie für Millionäre, aber zu einem Preis für Durchschnittsverdiener – das verspricht das Fintech-Start-up Whitebox. Gründerin Salome Preiswerk spricht über den Spagat zwischen datengestütztem Risikomanagement und dem emotionalen Thema Geldanlage sowie über ihren doppelten Minderheitenstatus als Frau im Bankgeschäft und als Start-up-Gründerin.
Vermögensverwaltung wie für Millionäre, aber zu einem Preis für Durchschnittsverdiener – das verspricht das Fintech-Start-up Whitebox. Die Digitalisierung der Beratung – Stichwort Robo-Advisor – macht es möglich. Der Markt floriert und ist zugleich hart umkämpft: 2015 wurden weltweit rund 30 Milliarden Dollar durch Robo-Advisors verwaltet, bis 2020 rechnen Experten mit einem Anstieg auf bis zu 500 Milliarden Dollar – davon etwa 4 bis 5 Prozent in Deutschland, wo gegenwärtig bereits mehr als 20 digitale Vermögensverwaltungen existieren.
Whitebox-Gründerin Salome Preiswerk spricht über den Spagat zwischen datengestütztem Risikomanagement und dem emotionalen Thema Geldanlage sowie über ihren doppelten Minderheitenstatus als Frau im Bankgeschäft und als Start-up-Gründerin.
Frau Preiswerk, warum brauchen wir ein digitalisiertes Portfoliomanagement? Geldanlage hat doch viele Jahrhunderte lang ganz prima analog funktioniert.
Ohne allzu viel Banken-Bashing betreiben zu wollen: Nein, das lief für die Kunden nicht so wahnsinnig gut, zumindest nicht für die mit kleineren und mittleren Anlagesummen. Man kennt das ja: Die wurden und werden mit teuren Gebühren geschröpft, bekommen nur deshalb ein Anlageprodukt angedreht, weil die Bank das selbst vertreibt oder ordentliche Provisionen dafür bekommt. Da war eindeutig Luft nach oben. Aber wie so oft ändert sich in solchen Märkten erst etwas, wenn der Regulator eingreift oder so junge Wilde kommen wie wir.
Mit Robo-Advisors digital Geldanlageziele erreichen
Wann wussten Sie: Jetzt ist der richtige Moment für unser Unternehmen gekommen?
Vor etwa fünf Jahren. Meine Mitgründerin Birte Rothkopf und ich waren ja beide Strategieberaterinnen für Banken. Die Vorstände kamen damals aus dem Jammern gar nicht mehr raus: Zu viel Regulierung, zu hohe Kosten, das Geschäft sei nicht mehr profitabel zu führen. Gleichzeitig kamen zu der Zeit die ersten Fintech-Unternehmen im angelsächsischen Raum in den Markt. Eigentlich ist es ja lächerlich: Man sprach damals erstmals über das ach so neue Thema der Digitalisierung. Die Banken reagierten auf unsere dementsprechenden Vorschläge allerdings mit einer Bandbreite von totaler Ablehnung bis zu zögernder Bequemlichkeit. Also dachten wir: Wenn nicht ihr, dann wir!
Wir arbeiten mit Algorithmen, die die Emotionen aus dem Anlageprozess heraushalten.
Was kann der Roboter besser als der Mensch in der Geldanlage?
Na ja, er beschleunigt zunächst mal enorm den Anmeldeprozess. Das funktioniert in zehn Minuten, wenn’s sein muss. Ich muss nicht zur Bank, werde nicht beraten von Leuten, die mir etwas verkaufen wollen. Das Kernprodukt, das Portfoliomanagement , ist bei den Robo-Advisors sehr unterschiedlich robo. Oft passiert da gleich gar nichts – in jedem Fall aber nichts, was es nicht auch offline gäbe. Nur ist es in der digitalen Welt eben preiswerter. Wir bei Whitebox arbeiten mit vielen kleinen Robos, also Dutzenden von Algorithmen, die das allzu Menschliche, die Emotionen, aus dem Anlageprozess heraushalten: Gier, Angst, Herdentrieb zum Beispiel. Oder Meinungen. Aber der Mensch ist auch bei uns als Korrektiv eingeschaltet.
Sie sprechen immer davon, dass Geldanlage mit Whitebox jetzt auch Spaß machen soll. Warum das denn? Es reicht doch, wenn sie ordentliche Renditen bringt.
Das bedeutet nicht irgendwelche Smileys auf den Webseiten, aber ich finde schon, dass es mehr Spaß macht, seine Anlageziele zum Beispiel als konkrete Wünsche zu benennen – wie Weltreise oder Ferienhaus –, als einen langweiligen Fragebogen auszufüllen. Oder, wenn ich anstatt eines Zahlenfriedhofs in Tabellenform ein ansprechendes, grafisch-gestaltetes Cockpit geboten bekomme, wo ich jederzeit nachschauen kann, wie weit in Prozent ich meinem Traum von der Weltreise schon näher gekommen bin. Das sind durchaus spielerische und emotionale Elemente – einfach ansprechender und weniger langweilig als ein bloßer Kontoauszug.
Das eigene Vermögen ist ja auch ein emotionales Thema. Da ist die Hemmschwelle, das einer Website anzuvertrauen, doch groß.
Stimmt. Vertrauen läuft ja viel über persönlichen Kontakt. Bei uns treten Sie aber nicht durch eine Tür und schütteln dem netten Herrn Mayer die Hand. Es ist also unsere Aufgabe, uns als menschliches Unternehmen darzustellen. Auch deswegen spreche ich viel auf öffentlichen Veranstaltungen. Aber auch andere Aspekte sind wichtig: eine solide Regulierung – bei uns die BaFin-Lizenz – etwa oder seriöse Partner. Mit der Zeit wird es normal werden, sein Portfolio über das Internet managen zu lassen. Insofern ist Konkurrenz, auch von den schlafenden Riesen, also den traditionellen Finanzdienstleistern, für uns gar nicht schlecht. Ich kann mir auch hybride Modelle vorstellen, etwa durch einen Partner mit einem Filialnetz. Das kann Kunden überzeugen, die sich noch nicht alleine zu uns trauen.
Ein Start-up ist ein typisches Beraterprojekt: sehr vielschichtig und komplex.
Wer traut sich denn bis jetzt so?
Jedenfalls nicht nur die Millennials, das ist ein Irrglaube. Im Schnitt sind unsere Kunden Mitte 40, zu 88 Prozent Männer und sie legen rund 30.000 Euro bei uns an. Wir haben aber auch wesentlich ältere Kunden und solche, die uns direkt siebenstellige Summen anvertrauen. Doch viele testen uns erst mal und legen dann nach.
Ihrer Erfahrung nach: Was muss man können, um so ein Fintech-Start-up auf die Beine zu stellen? Sie selbst sind ja eigentlich Juristin.
Stimmt, aber ich war viele Jahre als Unternehmensberaterin bei Banken unterwegs. Und so ein Start-up ist ein typisches Beraterprojekt: sehr vielschichtig und komplex. Man muss sich in verschiedensten Themenbereichen auskennen. In unserem Fall brauchte es allerdings auch eine große Portion fachliches Wissen. Wir haben sämtliche Algorithmen selbst entwickelt, nichts dazugekauft. Das ist sicher etwas Anderes als die tausendste E-Commerce-Plattform. Nicht zuletzt hilft es, finde ich, wenn man schon eine gewisse Lebens- und Berufserfahrung hat. Wir Gründerinnen sind beide um die 40.
Zwei „junge Wilde“: Whitebox-Gründerinnen Dr. Birthe Rothkopf (l.) und Salome Preiswerk
Und welche Persönlichkeit braucht man als Gründerin?
Ach, das sind die üblichen Unternehmertugenden: Mut, Geduld, Durchhaltevermögen. Das Bewusstsein, dass zumindest die ersten Jahre kein Zuckerschlecken sind. Ich finde es verlogen, wenn junge Start-up-Gründer oft so tun, als wäre alles nur toll. Man geht immer wieder durch Täler, so etwas muss man aushalten können.
Ich habe praktisch kein Privatleben, verdiene so wenig wie nie, habe mein ganzes Geld in die Firma gesteckt.
Den Männer-Überschuss unter den Gründern – angeblich sind es 87 Prozent – muss man auch aushalten können.
Ja, aber ich war vorher schon als Beraterin und in der Bankenbranche stets doppelt in der Minderheit. Und ich kann verstehen, wenn viele Frauen keine Lust haben auf das testosterongetriebene Getue unter Bankern. Auf manchen Start-up-Messen ist das ähnlich – tagsüber, abends sind dann so dekorative Begleiterinnen dabei, die dem Klischee nicht wirklich entgegenarbeiten. Aber ich persönlich hatte noch nie das Gefühl, dass eine negative Entscheidung unserem Unternehmen gegenüber daran lag, dass wir zwei Gründerinnen sind.
Haben Sie die Kein-Zuckerschlecken-Phase Ihres Unternehmens schon hinter sich? Oder anders gefragt: Überwiegen schon die Vorteile der Selbstständigkeit?
Oh nein. Ich habe praktisch kein Privat- und Sozialleben, verdiene so wenig wie noch nie, habe mein ganzes Geld in unsere Firma gesteckt. Aber so eine Start-up-Gründung ist ja immer eine Wette auf die Zukunft. Das würde man alles nicht so machen, wenn man keine Vision hätte, wie das später mal aussehen könnte. Natürlich freue ich mich immer wieder über unsere Erfolge und ich hoffe, dass sich unsere Arbeit einmal auszahlt – finanziell, aber auch von der Work-Life-Balance her. Eine Deadline habe ich mir da aber nicht gesetzt.
Bilder: Whitebox