Um die Digitale Business Transformation im Kontext zu verstehen, fangen wir mal im Privaten an: Menschen nutzen digitale Dienstleistungen wie zum Beispiel von Apple oder Amazon. Bestellen sie einen Song, haben sie ihn in wenigen Sekunden auf dem Computer. Ein Buch liegt spätestens am nächsten Morgen auf dem Schreibtisch. Diese Erfahrungen machen viele, und sie haben sich daran gewöhnt.
Zeitgleich haben sie begonnen, diese Verhaltensweisen, Konzepte und Wünsche aus dem privaten ins geschäftliche Leben zu übertragen. Auch dort erwarten sie solche Services von ihren Zulieferern und ihren Mitarbeitern. Sie akzeptieren nicht mehr, dass der Bestellvorgang etwa von Zulieferteilen für die Autoindustrie länger als einige Minuten dauert oder dass es schwierig sein kann, im eigenen Unternehmen einen Experten zu einem bestimmten Thema zu finden.
In Zeiten von grenzenloser weltweiter Kommunikation, sozialen Medien mit Milliarden von Nutzern, fast unbegrenzter Mobilität und immer weiter steigenden und personalisierten Datenmengen sollten diese Fragen schneller und besser gelöst werden können – durch den Einsatz cleverer Technologien, die zum Beispiel Daten in Sekundenbruchteilen analysieren und nutzen. Aber das ist bisher oft mehr Wunsch als Realität.
Traditionelle Branchen im Blick
Wir reden bei diesen Herausforderungen natürlich nicht über Internet-Start-ups oder Konzerne wie Apple oder Google, bei denen sich dieses Denken und Handeln schon lange durchgesetzt hat. Es gehört zu ihrer DNA. Viel spannender ist es, auf andere Industrien zu schauen – auf die 94 Prozent, die in traditionellen Branchen unterwegs sind.
Viele dieser Firmen investieren in digitale Technologien. Aber einige von ihnen – wir nennen sie die „Digital Masters“ – machen das besser als die anderen. Sie beschäftigen sich auf ganz besondere Art und Weise mit den Technologien und machen deutlich höhere Gewinne als ihre Wettbewerber. Was wir von den Guten unter ihnen lernen können: Sie nutzen nicht einfach nur digitale Technologien und bauen ihre IT-Infrastruktur um. Stattdessen entwickeln sie neue Führungsmodelle und -fähigkeiten, um die Transformation voranzutreiben.
Sie entwickeln neue Führungsmodelle, um die Transformation voranzutreiben.
Digital Masters im Fokus
Schauen wir auf drei kurze Beispiele: Zum Geschäftsmodell des Schweizer Konzerns Schindler gehört es nicht nur, Aufzüge zu installieren und den Service zu übernehmen. Das Unternehmen nutzt heute vorausschauende Analysemethoden, um die Betriebszeiten der Produkte zu steigern und die Instandhaltungskosten zu senken. Schindler entwickelt eine Vision, in der der Betrieb der Aufzüge mithilfe von firmeneigener Software optimiert wird. Das Ziel: Die Reisezeiten innerhalb von Gebäuden werden reduziert, indem die Beladung und die Nutzung einzelner Aufzüge aufeinander abgestimmt werden.
Das zweite Beispiel: Der indische Farbenhersteller Asian Paints bietet mehr Services als früher. Mithilfe neuer Technologien hat der Konzern seine Kernprozesse zentralisiert und standardisiert. So hat sich das Unternehmen von einem reinen Anbieter von Farben in Indien zu einer Firma entwickelt, die Renovierungsdienstleistungen in 17 Ländern anbietet.
Und schließlich, Fall Nummer 3, Nike : Der weltweit agierende Sportartikelhersteller hat sich über soziale Medien intensiv mit seinen Kunden und auch innerhalb des Unternehmens verknüpft. Heute verkauft Nike noch Kleidung, in Zukunft möchte der Konzern Teil des Lebens der Nutzer werden – zum Beispiel über das Teilen von sportlichen Leistungen in Fitness-Apps, virtuelle Trainer oder individuelle Produktdesigns.
Gelegenheit für Veränderung
Den drei Firmen und anderen ,Digital Masters‘ ist gemeinsam, dass sie die Transformation nicht als technologische Herausforderung sehen. Sie halten sie eher für eine gute Gelegenheit, ihre eigenen Prozesse, Geschäftsmodelle und die Erfahrungen der Kunden fundamental zu verändern. Dabei lassen sie diese Veränderungen nicht nur durch die IT-Spezialisten vorantreiben. Sie setzen stattdessen darauf, dass die Führungskräfte den Wandel von oben durchsetzen. Das ist am wichtigsten, um langfristig die digitale Transformation zu bewältigen.
In zehn Jahren werden wir noch ganz andere Entwicklungen sehen, die wir nicht ansatzweise voraussagen können. Denn, das ist mir immer wieder wichtig zu sagen: Es gibt keine einfachen Antworten. So ähnlich, wie vor 15 Jahren fast jeder gefragt hat, ob und wofür wir „dieses Internet“ überhaupt benötigen, wird in einem Jahrzehnt die Welt halb amüsiert, halb geschockt darauf zurückschauen, wie wenig wir heute aus den Möglichkeiten der Digitalisierung gemacht haben.
Digital Masters sehen Transformation nicht als technologische Herausforderung.
Individualisierung durch Digitalisierung
Eines ist jedenfalls klar – und das geht alle Unternehmen an: In Richtung der Kunden werden wir immer mehr Individualisierung erleben. Die Stückzahlen der Produkte werden immer weiter Richtung „eins“ gehen, weil die Firmen ihre Arbeit immer weiter an die individuellen Bedürfnisse der Kunden anpassen werden. Natürlich wird es durch die industrielle Fertigung Einschränkungen in bestimmten Bereichen geben. Aber das Wissen der Unternehmen über ihre Abnehmer steigt unaufhörlich – und damit auch die Möglichkeiten, das perfekte Produkt zu schaffen.
Über den Think Tank „Digitale Transformation“
Die Digitalisierung gleicht einem mächtigen Imperativ, das eigene unternehmerische Denken und Handeln zu verändern. Aber, das ist leichter gesagt als getan. Wo liegen die Herausforderungen für Unternehmer und Manager? Gibt es so etwas wie Keimzellen in einem Unternehmen, in denen der digitale Wandel besonders gut und wirkungsvoll beginnen kann? Welche Rahmenbedingungen müssen in Unternehmen, aber auch zum Beispiel von staatlicher oder gesellschaftlicher Seite dafür geschaffen werden? Was sollten Mitarbeiter können – und wer ist überhaupt noch in der Lage, in einem Unternehmen, das sich auf vielen Ebenen digitalisiert, mitzuhalten?
In diesem Beitrag, der fortwährend aktualisiert wird, suchen wir Antworten auf diese und viele andere Fragen. Zu Wort kommen Digitalisierungs-Experten aus verschiedenen Wissenschaftsfeldern wie der Betriebswirtschaft, dem Management, der Zukunftsforschung oder der IT, zudem Entrepreneure und Praktiker aus großen Unternehmen, die selbige führen, in ihnen für das Personal oder die Prozesse verantwortlich sind. Und schließlich auch Denker, die sich die Kernpunkte der Digitalisierung von außen anschauen.
Der Artikel setzt nicht auf Vollständigkeit, sondern will Platz für ganz unterschiedliche Meinungen bieten. Er soll Raum zum Nachdenken bieten, provozieren, vielleicht Widerrede auslösen. Ein Think Tank, dem man beim Denken gewissermaßen zusehen kann.
Bildcredits: istock/xijian, istock/peopleImages